Meister Eckhart |
Wie der Mensch seine Werke aufs Höchste vernünftig wirken soll Solcher Leute findet man viele und bringt es einer, wenn er will, ziemlich leicht dazu, dass ihn die Dinge, unter denen er wandelt, nicht mehr stören, noch deren Bilder bleibend in ihm sitzen, denn wo das Herz Gottes voll ist, da können unmöglich noch die Kreaturen Platz finden. Aber daran soll uns nicht genügen; wir müssen uns die Dinge insgesamt auf höhere Art zu Nutze machen: als die da sind, was wir sind – die Dinge, die wir sehen und hören, wie fremd und unverwandt sie uns anmuten. Dann erst stehen wir recht und nicht eher. Und nimmer wird ein Mensch hiermit zu Ende kommen: Ohne Unterlass kann er hierin noch wachsen und hinzugewinnen in einem wahren Zunehmen. Bei jedem Werk und jeder Sache muss man bewusst von seiner Vernunft Gebrauch machen, überall ein vernünftiges Mitwissen haben von sich und seiner Innerlichkeit und in allen Dingen Gott ergreifen im höchsten nur möglichen Sinne. Damit man sei, wie unser Herr es forderte: „Ihr sollt sein wie Leute, die allzeit wachen und ihres Herrn warten.“ Traun, solche harrenden Leute sind auf dem Posten und sehen sich um, wo er wohl herkomme, des sie harren; und erwarten ihn in allem, das da kommt, wie fremd es ihnen auch scheine, ob er nicht doch dabei sei. So auch gebührt sich uns ein bewusstes Ausspähen nach unserem Herrn in allen Dingen. Wozu denn freilich Fleiß gehört und man sich’s kosten lassen muss, was man nur irgend leisten kann mit Sinnen und Seelenkräften. So kommen die Leute ins Lot und ergreifen Gott unterschiedslos in allen Dingen und empfinden ihn mit gleicher Stärke in jeder Lage. Und mag dazu auch eine Beschäftigung geeigneter sein als die andere: Wer nur sein Werk täte aus einem gleichen Gemüt, dessen Werke hätten auch alle gleichen Wert. Und dem Rechtgemuten, fürwahr, dem leuchtete Gott so unverhüllt im weltlichsten wie im frömmsten Geschäft – einem, dem ,Gott’ auch zur ,Welt’ geworden war. Dies nun nicht in dem Sinne, als ob man von sich aus etwas recht Weltliches oder Widerstrebendes vornehmen müsse; sondern was einem von der Außenwelt her ankommt mit Sehen oder Hören, das soll man zu Gott kehren. Wem Gott so gegenwärtig ist in allen Dingen, wer seiner Vernunft in vollem Maße mächtig ist und von ihr entsprechenden Gebrauch macht, der weiß allein von wahrem Frieden und der nur hat wirklich ,das Himmelreich’. Denn wer zurechtkommen will, dem muss je unter zweien Dingen eines geschehen: Entweder er muss Gott ergreifen und festhalten lernen in seiner Arbeit, oder er muss Welt und Werke überhaupt lassen. Da nun der Mensch in diesem Leben nicht bestehen kann ohne Arbeit, diese vielmehr des Menschen Teil ist und von vielerlei Art, darum so lerne der Mensch, seinen Gott zu haben mitten in den Dingen und ungehindert zu bleiben von Geschäft und Ort. Darum denn auch, wenn der anhebende Mensch etwas zu schaffen hat unter den Leuten, so soll er sich zuvor kräftig zu Gott verwarnen, sich ihn fest ins Herz prägen und all sein Wollen und Gedenken, all seine Seelenkräfte in ihn zusammenfassen, auf dass sich anderes nicht in ihm erbilden könne. Überhaupt darf man’s bei keinem Werk zu leicht nehmen mit „wohl gewählt und recht getan“, damit man über der Arbeit nicht zu frei werde und zu sicher und unsere Vernunft nicht müßig gehe oder einschlafe: Je und je müssen wir mit dem Flügelpaar Vernunft und Willen uns erheben und unser Heil damit in höchster Höhe greifen, vor allem Schaden aber, so auswendig wie inwendig, uns besonnen warnen. So kommt man nimmer in Verzug, sondern nimmt ohne Unterlass zu ins Mächtige. |