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Meister Eckhart

Von zweierlei Reue

Reue gibt es von doppelter Art. Die eine ist zeitlich und sinnlich, die andere göttlich und übernatürlich. Die zeitliche zerrt sich nur immer tiefer hinab in immer ärgere Pein und setzt den Menschen in einen Jammer, als ob er stracks verzweifeln müsse. Die bleibt stecken im Elend und kommt nicht vom Fleck; es wird nichts daraus.

Anders die göttliche Reue. Sobald nur im Menschen eine innere Missbilligung auftaucht, gleich erhebt er sich auch zu Gott und setzt sich, gegen jede Sünde sorglich gewappnet, in einen unerschütterlichen Willen. Und von da erhebt er sich zu grenzenlosem Gottvertrauen und gewinnt eine grenzenlose Sicherheit. Und hieraus entspringt eine geistige Freude, die die Seele heraushebt aus allem Elend und Jammer und zusammenschließt mit Gott. Und je gebrechlicher sich einer fühlt und je zahlreicher seine Missetaten, desto mehr Ursache hat er, sich in ungeteilter Hingabe an Gott zu binden, bei dem es keine Sünde und kein Gebresten gibt. Der sicherste Grad darum, den man beschreiten mag, will man in gesammelter Andacht zu Gott gehen, ist: sündlos zu sein kraft der göttlichen Reue.

Und je schwerer man selber die Sünde wägt, umso eher ist Gott bereit, sie zu vergeben, zur Seele zu kommen und die Sünde zu vertreiben. Ist jeder doch am rührigsten, das abzutun, was ihm am meisten zuwider ist. Je zahlreicher und schlimmer die Sünden sind, nur umso lieber und rascher vergibt sie Gott, je mehr sie ihm damit zuwider sind. Kaum also, dass die göttliche Reue sich zu Gott erhebt, so sind alle Sünden bälder verschwunden in den Abgrund Gottes, als ich mein Auge zutun könnte, und werden so vollständig zunichte, wie wenn sie nie geschehen wären.

Reden der Unterweisung