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Jacopone da Todi

Liebe lenkt das Herz; Verstand
leistet harten Widerstand.

Lieb’ eroberte die Veste
Willen, die gar hoch und feste,
schießt in’s Herz Lustpfeil’ aufs Beste
und betört es gar gewandt.

Und Verstand, voll Rat und Listen,
eilt mit Reizen sich zu rüsten;
um sich bei Vernunft zu fristen,
nimmt bei ihr er seinen Stand.

Liebe lässt Vernunft nicht sprechen,
und beginnt ein Lanzenstechen,
sucht den Leib durch Leid zu brechen
und das Herz durch Wundenbrand.

Und Verstand rückt an auf’s Herze
und bedrängt es arg mit Schmerze;
Fleisch erliegt der Wucht der Erze
und ergibt sich dem Verstand.

Liebe säumt nicht; näher dringt sie,
heiß erglühte Speisen bringt sie;
Herz genießt sie, ja verschlingt sie,
und die Kost ist so bewandt,

dass Verstand beginnt zum Herzen:
„Willst du mein Gebot bescherzen,
sei versichert, deiner Schmerzen
wilder Glut nicht hältst du Stand.“

Liebe hört’s, und sonder Weile
schießt sie heimlich kleine Pfeile;
Fleisch verspürt’s und merkt in Eile,
unerträglich sei der Brand.

Und Verstand spricht, seinen Willen
nun dem Herzen zu enthüllen:
„Schleiche dich davon im Stillen,
eh’ dich Siechtum übermannt.“

Liebe nennt das Torenwerke,
und sie hofft in ihrer Stärke,
dass mit Gnad’ ihr Herr sie stärke,
der sie schützt mit seiner Hand.

Und Verstand spricht: „Sei verständig!
Großen Leuten, wenn unbändig
war ihr Wunsch, sah ich beständig
Wort und Werk in nichts gewandt.“

Liebe lässt das unerwogen,
spannt mit Eifer ihren Bogen,
trifft das Herz, und Gluten wogen
auf zum Herrn im Liebesbrand.

Zu Vernunft spricht Fleisch mit Bangen:
„Gern dir geb’ ich mich gefangen;
lass mich Hilfe nur erlangen,
eh’ mich Liebe steckt in Brand.

Tausend Leiber nicht genügen,
dass sie ihre Füll’ ertrügen;
glaubt sie doch, in vollen Zügen
Gott zu trinken, sich im Stand;

will mit Armen ihn umwinden,
weiß nicht, was sie will, zu künden,
lässt nicht Ruh, noch Rast mich finden,
ist mit Qual stets bei der Hand.

Sie genießt des Himmels Wonnen
und hat Streit mit mir begonnen,
hält mit List mich klug umsponnen
und mit süßer Worte Tand.

Reden weiß sie zu erdenken,
die mich leicht von allem lenken,
und sie fesselt Sinn und Denken,
dass der Atem mir entschwand.

Wollt mir Beistand nicht versagen,
kommt und zügelt ihr Betragen,
alles, was sie denkt, sind Plagen,
was sie sinnt, ist Glut und Brand.

Den Entschluss will ich erfüllen:
Nimmer bin ich ihr zu Willen;
weilt bei mir sie ganz im Stillen,
fehlt mir Kraft zum Widerstand.

Welt, ich will mit dir mich ein’gen;
dass mich Liebe nicht kann pein’gen,
stör’ ich sie, wenn, fern dem Dein’gen,
zur Betrachtung sie gewandt.“

Doch Vernunft spricht: „Kann das frommen,
wenn zum Sieg will Liebe kommen?
Hast du tags die Flucht genommen,
setzt sie nächtens dich in Brand.“

Jacopone da Todi