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Jacopone da Todi

O Liebe höchster Liebe,
was schlugst du solche Wunden?
Mein Herz ist hingeschwunden,
das hell in Flammen stand.

Es glüht und brennt und findet keinen Frieden,
nicht fliehen kann’s, dieweil es festgebunden;
wie Wachs zu schmelzen, das ist ihm beschieden;
schmachtend vergeht’s, hat lebend Tod gefunden;
ein wenig Ruhe wünscht es sich hienieden;
im Feuerofen liegt’s zu allen Stunden; –
weh, zu so schweren Wunden
wie bin ich doch gekommen?
Ich bin zum Tod beklommen,
so furchtbar steigt der Brand.

Eh’ ich’s erfahren, trug ich das Verlangen,
den Herrn zu lieben; süß mir wollt’ es scheinen;
ein holder Friede sollte mich umfangen,
gar hoch gestellt, den Schmerzen fern und Peinen;
nun fühl’ ich ungekannte Qual und Bangen;
dass mir vor Glut das Herz springt, muss ich meinen,
und Ausdruck find’ ich keinen
für jenes, was ich sehe;
ich sterb’ in süßem Wehe,
leb’, ob mein Herz entschwand.

Das Herz verlor ich samt den Sinnen allen,
und Wollen, Freud’ und jegliches Empfinden;
zu Boden scheint die Schönheit mir gefallen,
Reichtum und Lust gilt mir ein Raub den Winden;
ein Liebesbaum, dem reiche Frücht’ entwallen,
muss mir gepflanzt im Herzen, Nahrung gründen;
denn solchen Wandel finden
ließ schnelle mich sein Lieben,
weil er aus mir vertrieben
Kraft, Willen und Verstand.

Um Liebe hab’ ich alles hingegeben,
die Welt und mich und alles ihr zum Preise;
und wäre mein all das geschaff’ne Leben,
um Liebe gäb’ ich’s hin auf jede Weise;
und doch hat Liebe nun getäuscht mein Streben;
ich gab ihr alles, und mir sind die Gleise
nicht kund, darin ich reise;
so macht sie mich zum Toren;
und traun! verkauft, verloren
mein ganzer Wert entschwand.

Zurückzurufen glaubten mich die Leute,
die Freunde, von den eingeschlag’nen Wegen;
doch nimmer kehrt die preisgegeb’ne Beute,
nicht Diener wird, wer floh den Herrn verwegen;
mich hält, dem Felsen gleich, in Kampf und Streite
die Liebe fest in ihrer Macht Gehegen;
konnt’ ich noch Wollen hegen,
hat Liebe ganz umstrickt es,
verwandelt und erstickt es,
und hat mich übermannt.

Nicht Feuer kann hier je, noch Eisen scheiden,
nicht wird so fest Geeintes sich entrungen,
und nimmermehr kann steigen Tod und Leiden
zur Höh’, auf die der Wille sich erschwungen;
am Wechsel unten sich die Dinge weiden,
hoch über sie empor ist er gedrungen;
wie, Seel’, ist dir gelungen
doch der Besitz des Glückes?
Dir kam von Christi Blick’ es,
ihn lieb’ in süßem Brand.

Der Anblick der Geschöpf’ ist mir entnommen,
zum Schöpfer schreit empor mein ganzes Sinnen;
nicht Himmel und nicht Erde beut mir Wonnen,
nichts kann ob Christi Lieb’ ich fürder minnen;
verdunkelt scheint mir selbst das Licht der Sonnen,
seitdem er mich sein Antlitz ließ gewinnen;
um Liebe zu beginnen,
nicht g’nügen Seraphinen,
um Lehr’, nicht Cherubinen
dem, welcher Christus fand.

So tadle niemand denn mein Herzverlangen,
lässt solche Liebe mich als Toren gehen;
wie könnt’ ein Herz, das Liebe so gefangen,
entfliehen und der Liebe widerstehen?
Wie kommt’s, o Herz, dass du nicht bist zergangen,
und hast ertragen solche Glut und Wehen?
O könnt’ ich nur erspähen
ein Herz, das mich verstände
und jenen Schmerz empfände,
der mich zerschmelzt im Brand!

Ist’s doch, als ob stets lauten Ruf erhübe
so Erd’ als Himmel, lieben mög’ ich immer;
ein jedes ruft: Von ganzem Herzen liebe
die Liebe, die zu lieben aufhört nimmer;
es schuf die Liebe, die dir ihre Triebe
geweiht, uns all für ihren Glanz und Schimmer,
und also fließt der Flimmer
von jenem Licht der Güte
uns mächtig in’s Gemüte,
dass sichtbar wird der Brand.

Mehr wollt’ ich lieben, hätt’ ich das Vermögen,
allein das Wie weiß nicht das Herz zu künden;
mehr als mich geben, – mag den Wunsch ich hegen, –
ich kann es nicht; dies muss sich wahr befinden.
All was ich hatte, daran musst’ ich’s legen,
ihn zu besitzen, der mich neu will gründen;
wie kann dein Glanz mir schwinden,
seitdem ich dich besessen,
du Schönheit unermessen,
der keine gleich sich fand.

Ich sah die Schönheit, und ich ward gezogen
ganz außer mich; wohin, kann ich nicht sagen;
das Herz zerschmilzt, wie Wachs, in Feuerwogen,
nach Christi Bildnis ist es neu geschlagen;
wo ward ein solcher Wechsel je erwogen,
in Christ sich kleiden und sich ganz entsagen?
Da dies sich zugetragen,
schreit Liebe, dass sie’s fühle,
und taucht im Lustgefühle
die Seel’ in solchen Brand.

Die Seele liegt in Haft von Süßigkeiten,
dass sie sich ganz ausdehnet zum Umschlingen;
und sieht sie Christi Glanz die Strahlen breiten,
lässt sie aus sich in Christus all ihr Ringen
und all ihr Wollen mehr hinübergleiten;
nichts kann von sich sie in’s Gedächtnis bringen,
nicht will ihr mehr gelingen
für sich ein sorgend Denken,
nicht kann noch Reiz ihr schenken,
was ehmals sie empfand.

In Christus umgeformt, wird sie zu Christe,
und göttlich wird sie, ganz mit Gott verbunden;
am höchsten steht sie in der Hoheit Liste,
als Christi Königin wird sie befunden;
wie könnt’ es sein, dass sie von Kummer wüsste,
und Heilung noch entbehrten ihre Wunden?
Kein Schlamm wird mehr gefunden,
drin Sünde sich geleget;
die alt’ ist weggefeget
und jeder Schmutz verbannt.

In Christus ward ein neu Geschöpf geboren,
verscheucht der alte Mensch, geformt der neue;
hoch flammt die Glut der Seel’, also erkoren;
ein Messer, scheint es, hier das Herz bedräue,
in solche Glut sind Seel’ und Sinn verloren;
Christ zieht mich ganz in seiner Schönheit Weihe;
ihn zu umarmen freue
ich mich und ruf’ aus Liebe:
O Liebe, die ich liebe,
lass sterben mich im Brand.

Schmachtend um dich muss, Lieb’, ich mich verzehren
und rufend gehn umher, dich zu umfangen;
lebendig sterb’ ich, willst du nicht mehr kehren,
und wein’ und seufz’, auf’s Neu dich zu erlangen;
und kehrst du, kann die Enge nicht mehr währen,
es wächst das Herz, das in dich aufgegangen;
o stille mein Verlangen,
komm, heile meine Wunden;
Lieb’ hält mich so gebunden,
die letzte Kraft entschwand.

Sieh her, o süße Liebe, sieh mein Wehe,
nicht kann ich fürder solche Glut ertragen;
mich fasste Lieb’, – ich weiß nicht, wo ich stehe,
und weiß hinfort nicht um mein Tun und Sagen,
und einem Toren gleich umher ich gehe;
vor Sehnsucht oft befällt mich Angst und Zagen;
nicht weiß ich, wie die Plagen
ich länger kann erleiden,
und weiß nicht zu entscheiden,
wodurch das Herz mir schwand.

Mir ward geraubt mein Herz; ich kann nicht sehen,
was tun ich soll und tu’ in manchen Zeiten;
und wer mich ansieht, spricht und will verstehen;
soll Tat nicht deine Lieb’, o Herr, begleiten?
Geschieht das nicht, wohin dann soll ich gehen?
Die Liebe kommt, mir Fesseln zu bereiten,
die nimmermehr entgleiten;
das Wort will sie entraffen,
das Wollen mir und Schaffen,
und mein Empfinden schwand.

Zu reden wusst’ ich, stumm nun muss ich schweigen,
einst sah ich, doch bin jetzt ich gleich den Blinden;
nie konnte noch sich solch ein Abgrund zeigen;
stumm red’ ich, fliehe, während sie mich binden;
mich senkend steig’ ich, eign’, indem ich eigen,
bin draußen in mir, scheuch’ und muss verschwinden;
du, der kein Maß zu finden,
was machst du mich zum Toren,
warum bin ich verloren,
o Lieb’, in solchem Brand?

Du, der mich liebt, ach, ordne diese Liebe,
wird Tugend auch, wo Ordnung fehlt, gefunden?
Du weihtest mir so mächt’ge Liebestriebe,
dass neu der Geist mit Tugend ist verbunden;
so komm und hebe der Unordnung Trübe,
mit Gotteslieb’ im Bund dich zu bekunden;
der Baum wird gut befunden
nach dem Geschmack der Früchte,
sie zeigen klar im Lichte
der Dinge Wert und Stand.

„Wie ich sie schuf, so wurden alle Wesen
an’s Licht gebracht nach Maßen und nach Zahlen,
nach Ordnung all zu ihrem Ziel erlesen,
und Ordnung lässt nie ihren Wert verschalen;
auch ist die Lieb’ in Ordnung so gewesen,
und mehr als alles sonst zu vielen Malen;
wie hat ob Glut und Qualen
nun Torheit dich beschlichen,
dass Ordnung dir entwichen?
Setzt dir kein Ziel der Brand?“

Du sprichst, o Herr, der mir das Herz entwendet,
dass nun den Geist zur Lieb’ ich ordnen möge,
als ob, seitdem ich ward in dich gewendet,
hinfort ein Pakt mit dir anheim mir läge;
wie Eisen, das im Feuer sich vollendet,
und wie das Frührot auf dem Sonnenwege
einbüßen ihr Gepräge,
und and’res Sein gewinnen:
Der reine Geist so drinnen
trägt, Liebe, dein Gewand.

Doch hat er all sein Eignes nun verloren,
so kann er nichts aus sich zuwege bringen;
da eine neue Macht ihm ward erkoren,
kann ihr gemäß sein Werk ihm nur gelingen;
weil umgeformt in dich er neugeboren,
o Christ, der süß du bist ob allen Dingen:
Auf dich zurück wie gingen
nicht meine Taten alle?
Wenn dir ich nicht gefalle,
so wirkt’ es deine Hand.

Drum wisse, hab’ als Tor ich mich bekundet,
hast, höchste Weisheit, du’s in’s Werk gerichtet;
und dies geschah, sobald du mich verwundet
und deiner Liebe mich zuerst verpflichtet,
als nackt, neu überkleidet, ich gesundet
durch dich zu neuem Sein emporgeflüchtet,
und ganz in mir vernichtet
mir Liebeskraft verhängte,
dass ich die Tore sprengte
und dir im Arm mich fand.

Was hast du mich zu solcher Glut geführet,
wenn du gewollt hast, dass ich mäßig glühte?
Als du, dich maßlos gebend, mich gerühret,
nahmst jedes Maß du mir aus dem Gemüte;
gabst du als klein dich, – G’nüg hätt’ ich gespüret,
als groß, – umsonst ich alle Kraft aufbiete;
wenn Mangel im Gebiete,
ist dein er, nicht der meine;
weil diesen Weg alleine
mich führte deine Hand.

Du konntest dich der Liebe nicht erwehren,
zur Erde zog sie dich aus Himmelshöhen;
du stiegst so tief herab von deinen Sphären,
um ganz verachtet hier einherzugehen;
nicht Haus, noch Hof hier wolltest du begehren,
nur weil für Reichtum du uns ausersehen;
im Leben und in Wehen
des Todes sollt’ erglänzen
das Lieben ohne Grenzen,
das dir im Herzen stand.

Als barfuß du allhier umhergegangen,
hat Lieb’, als wärst verkauft du, dich geleitet;
in allem zeigtest du dein Liebverlangen,
gleichgültig, ob für dich du nichts erbeutet;
im Tempel war’s, als deine Wort’ erklangen:
Wen durstet, komm, hier ist ihm Trank bereitet,
wenn Lieb’ ihn nur begleitet;
denn hier wird ihm gegeben
endloses Liebeleben,
das nährt mit süßem Brand.

Du, Weisheit, hast dich nicht zurückgehalten,
dein Lieben in uns oftmals zu ergießen;
nur Liebe, Fleisch nicht, konnte dich gestalten,
vermenschte Lieb’, um Heil uns zu erschließen;
uns zu umarmen, wolltest du erkalten
am Kreuz; drum wolltest du den Mund verschließen
als sie dich grausam stießen
vor Pontius’ Gerichte,
damit dir nicht zunichte
geh’ deiner Liebe Pfand.

Die Weisheit, seh’ ich, hat sich hier verhehlet,
die Liebe nur allein war zu gewahren;
jedweder Anschein deiner Macht hier fehlet,
hier durfte nicht die Macht sich offenbaren;
groß war die Liebe, die du da erwählet,
da nichts als Liebe hier sich ließ bewahren;
Will’ und Gewohnheit waren
im Liebesbann verschwunden,
da Lieb’, am Kreuz gebunden,
die Menschheit fest umwand.

Und bin ich nun versenkt in Liebverlangen
und liebetrunken von so großer Süße,
kannst tadeln du’s, wenn Torheit mich befangen,
wenn Sinn ich und Verstand und Kraft einbüße,
da du aus Lieb’ in solche Haft gegangen,
als ob in nichts all deine Macht zerfließe?
Wo ist’s, dass Kraft mir sprieße,
dir, Herr, zu widerstehen,
der Torheit zu entgehen,
die mich mit dir verband?

Denn jene Liebe, die mich macht zum Toren,
hat, wie mir scheint, die Weisheit dir genommen,
und jene, drin ich schmachtend bin verloren,
sie ließ für mich um alle Macht dich kommen;
kein and’res Los sei fürder mir erkoren,
nicht widersteh’ ich länger liebentglommen;
mir wird der Ausspruch frommen:
Vor Liebe will ich sterben;
nicht kann ich Trost erwerben,
als Tod in solchem Brand.

O Liebe, Liebe, die mir gab die Wunden,
nichts and’res mehr als Liebe kann ich schreien;
o Liebe, Lieb’, in eins mit dir verbunden,
kann dein Umarmen nur mich noch erfreuen;
o Liebe, Liebe, hast mich mir entwunden,
stets weitet sich mein Herz, sich dir zu weihen;
ich möchte mich befreien
vom Leib, bei dir zu weilen;
mich mög’, o Lieb’, ereilen
der Tod im Liebesbrand.

O Liebe, Lieb’, ich ruhe nun im Hafen;
o Liebe, Liebe, du hast mich geführet;
o Liebe, Liebe, deine Flammen trafen,
o Liebe, Liebe, sei mir Trost erküret;
o Liebe, Liebe, Not ist’s, lass mich schlafen;
lass mich umarmen stets dich, – sei gerühret! –
umformt und eingeführet
in dich in Liebesklarheit,
und in der höchsten Wahrheit
in dich ganz umgewandt.

O Liebe, Liebe! durch die Welt erschallet,
o Liebe, Liebe! rufen alle Wesen;
o Liebe, Liebe, tief dein Strom hinwallet,
und mehr dich sucht, wer mehr in dir genesen;
o Liebe, Liebe, die in sich rückwallet,
ein Kreis, dass, wer in dir, sich nie kann lösen;
du Aufzug, stets gewesen,
und Einschlag! wer sich kleidet
in dich, ist süß geweidet
und preist dein Liebesband.

O Liebe, Liebe, schaffst mir solche Leiden,
o Liebe, Lieb’, ich kann es nicht ertragen;
o Liebe, Liebe, du willst so mich weiden,
o Liebe, Liebe, Kraft muss da versagen;
o Liebe, Liebe, füllest mich mit Freuden,
o Liebe, Lieb’, in dich mich ganz zu tragen;
o Liebe, süßes Zagen,
o sehnsuchtsvolle Liebe,
ergetzungsreiche Triebe!
Nimm hin mich, Liebesbrand.

O Liebe, Liebe, hast mein Herz gespalten,
o Liebe, Lieb’, ich fühle bitt’re Wunden;
o Liebe, Lieb’, es reißt mich hin dein Walten,
o Liebe, Lieb’, in dich bin ich geschwunden;
o Liebe, Lieb’, es muss mein Sein erkalten,
o Liebe, Lieb’, ich bin mit dir verbunden;
o Lieb’, in allen Stunden
kann nichts von dir mich scheiden;
warum muss so ich leiden
von deiner strengen Hand?

O Liebe, Liebe, Jesus, mein Verlangen,
o Liebe, dich umfassend will ich sterben;
o Liebe, Liebe, die ich halt’ umfangen,
o Liebe, Liebe, Tod möcht’ ich erwerben;
o Liebe, Lieb’, in dich ganz aufgegangen,
umfass’ ich dich und darf dich ganz ererben;
sieh meine Kraft in Scherben,
weiß nicht, wo ich mich finde;
mich senk’ in die Abgründe
der Liebe deine Hand.

O lass mich, süßer Jesu, dich genießen!
Da süßer du, als alle Süßigkeit,
will ich für jedes And’re mich verschließen;
wer dich gekostet, dem wird allezeit
der Mund von Milch und Honig überfließen;
all and’re Lieb’ entferne von mir weit
und meinen Geist erneu’ in deiner Liebe.

Jacopone da Todi