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Hakim Sanai

1

Der Kopf hat zwei Ohren; die Liebe hat nur eines.
Dieses hört Gewissheit, während jene nur Zweifel vernehmen.

2

Gib dich ganz, mit Haut und Haaren, der Suche hin.
Wenn du aber das Meer erreichst, sprich nicht mehr vom Fluss.

3

Wenn er dich in seine Gegenwart einlässt,
frage ihn nach nichts anderem als nach ihm selbst.

4

Wenn er dich zum Freund erwählt hat,
hast du alles gesehen, was es überhaupt zu sehen gibt.

5

Wenn du mit dem Freund die Stufe von Lächeln und Küssen erreicht hast,
dann zähle sein Gift als Honig und seine Dornen als Blume.

6

Bleibe unbewegt von Hoffnung und Furcht. Für die Nicht-Existenz sind Moschee und Kirche eins; für einen Schatten Himmel und Hölle ebenso. Für jemanden, dessen Führer die Liebe ist, sind Glaube und Unglaube gleichermaßen ein Schleier, der den Zugang zum Freund verhüllt.

7

Der Weg ist nicht weit von dir zum Freund:
Du selbst bist der Weg – so mach dich dazu auf!

8

Welcher Verrückte könnte jemals genug von Dir haben? Kann ein Mensch je existieren und am Leben bleiben ohne Deine Hilfe und Deine Gunst?

Wie kann einer trauern, der Dich besitzt; wie einer erblühen, der Deiner ermangelt?

Wenn ich Dich besitze, bin ich eine Münze aus purem Gold; aber wenn Du fehlst, bin ich nichts als das Wimmern eines Mühlrades.

Übersetzung Gerd–Lothar Reschke | Homepage