Rainer Maria Rilke |
Einige persönliche Bestimmungen 1 Sollte ich in eine schwere Krankheit fallen, die am Ende auch den Geist verstört, so bitte, ja beschwöre ich meine Freunde, jeden priesterlichen Beistand, der sich andrängen könnte, von mir fernzuhalten. Schlimm genug, daß ich, in den körperlichen Nöthen meiner Natur, den Vermittler und Verhandler, im Arzte, zulassen mußte; der Bewegung meiner Seele, aufs Offene zu, wäre jeder geistliche Zwischenhändler kränkend und zuwider. 2 Geschieht es, daß ich auf Muzot oder überhaupt in der Schweiz sterbe, so wünsche ich, weder in Sierre noch etwa in Miège beigesetzt zu sein. (Dies letztere ist es vielleicht, was wir, nach der unverständlichen Aussage der unbekannten alten Frau, nicht thun dürften, um das ruhelose Nachtwandern der armen Isabelle de Chevron nicht neu aufzuregen.) 3 Sondern ich zöge es vor, auf dem hochgelegenen Kirchhof neben der alten Kirche zu Rarogne zur Erde gebracht zu sein. Seine Einfriedung gehört zu den ersten Plätzen, von denen aus ich Wind und Licht dieser Landschaft empfangen habe, zusammen mit allen den Versprechungen, die sie mir, mit und in Muzot, später sollte verwirklichen helfen.
4 Nun verabscheue ich die geometrischen Künste
der heutigen Steinmetzen; es wird vielleicht möglich sein, einen alten
Stein (etwa des Empire) zu erwerben (wie dergleichen, in Wien, für das Grab
meines Vetters geschah). Ebnet man die früheren Inschriften ab, so trage
dieser dann: 5 Ich halte, unter den Möbeln und Gegenständen auf Muzot, nichts für mein eigentliches persönliches Eigenthum; es sei denn, was an Familien-Bildern da ist: als welche meiner Tochter Frau Ruth Sieber, Vorwerk, Alt-Jocketa bei Jocketa (in Sachsen), zukommen. Über alles Übrige hätte, soweit es nicht von vornherein zum Hause zugehört, Frau Nanny Wunderly-Volkart in der Unteren Mühle zu Meilen, im Einklang mit ihrem Vetter, Werner Reinhart, Rychenberg-Winterthur, dem mir freundschaftlich-großmüthigen Eigenthümer von Muzot, zu verfügen. 6 Da ich, von gewissen Jahren ab, einen Theil der Ergiebigkeit meiner Natur gelegentlich in Briefe zu leiten pflegte, steht der Veröffentlichung meiner, in Händen der Adressaten etwa erhaltenen, Correspondenzen (falls der Insel-Verlag dergleichen vorschlagen sollte) nichts im Wege. 7 Von meinen Bildern halte ich kein anderes für wesentlich gültig, als die bei einzelnen Freunden, in Gefühl und Gedächtnis, noch bestehenden, vergänglichen.
Château de Muzot, Beilage zum Brief an Nanny Wunderly-Volkart vom 29. Oktober 1925 |