Meister Eckharts
mystische Schriften
übertragen von Gustav Landauer
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Vom Tod
Man liest von den heiligen Märtyrern, deren man heute gedenkt, dass sie
durch das Schwert gestorben sind. Unser Herr sprach zu seinen Jüngern: »Selig
seid ihr, so ihr etwas leidet um meines Namens willen.« Nun sagt die Schrift von
diesen Märtyrern, dass sie um Christi Namen willen den Tod gelitten haben und
durch das Schwert umgebracht worden sind.
Hier sollen wir drei Dinge merken.
Das erste, dass sie tot sind. Was man in dieser Welt leidet, das
endet. Sankt Augustin spricht: Alle Pein und alle Werke der Pein, das nimmt
alles ein Ende, und der Lohn ist ewig.
Das zweite, das wir betrachten sollen, dass dies ganze Leben
tödlich ist, dass wir alle Pein und alle Mühsal, die uns zustößt, nicht fürchten
sollen, denn es nimmt ein Ende.
Das dritte, dass wir uns verhalten, als wären wir tot, dass uns
nichts trübe, nicht Freude noch Leid noch alle Qual. Es sagt ein Meister: Den
Himmel kann nichts berühren. Das meint, der Mensch ist ein himmlischer Mensch,
dem alle Dinge nicht so viel sind, dass sie ihn berühren können. Es sagt ein
Meister: Da doch alle Kreaturen so erbärmlich sind, woher kommt es denn, dass
sie den Menschen so leicht von Gott abwenden? Die Seele ist doch in ihrem
Erbärmlichsten besser als der Himmel und alle Kreaturen? Es antwortet ein
Meister: Es kommt davon, dass er Gottes nicht so achtet, wie er sollte. Täte er
das, es wäre fast unmöglich, dass er je abfiele. Und es ist nur eine gute Lehre,
dass sich der Mensch in dieser Welt so verhalten soll, als ob er tot wäre. Sankt
Gregorius sagt, niemand habe so viel Gott, als der, der im Grunde tot sei.
Die vierte Lehre ist die allerbeste. Er sagt, dass sie tot sind.
Der Tod gibt ihnen ihr Wesen. Es sagt ein Meister: Die Natur zerbricht nie, ohne
dass sie ein Besseres dafür gibt. Wenn das die Natur tut, wie viel mehr tut es
Gott: Der zerbricht niemals, dass er nicht ein Besseres gäbe. Die Märtyrer sind
tot, sie haben ein Leben verloren und haben ein Wesen empfangen. Ich bin gewiss,
erkennte eine Seele das Geringste, was Wesen hat, sie wollte sich keinen
Augenblick davon abkehren. Das Erbärmlichste, was man in Gott erkennt, wie wenn
einer eine Blume verstünde, so wie sie ein Wesen in Gott hat, das stünde höher
als die ganze Welt. Das Erbärmlichste, das in Gott ist, wie es Wesen ist, ist
besser, als wenn einer einen Engel erkennte. Und dies sollte der Mensch
leidenschaftlich begehren und betrachten, dass das Wesen so hoch steht. Wir
preisen den Tod in Gott, auf dass er uns in ein Wesen wandle, das besser ist als
ein Leben; ein Wesen, darin unser Wesen lebt, wo unser Leben ein Wesen wird.
Der Mensch soll sich willig in den Tod vergeben und sterben, damit
ihm ein besseres Leben werde. Es muss ein gar kräftiges Leben sein, in dem tote
Dinge lebendig werden, in dem selbst der Tod ein Leben wird. Bei Gott stirbt
nichts: Alle Dinge werden in ihm lebendig. Sie sind tot [spricht die Schrift von
den Märtyrern] und sind in ein ewiges Leben versetzt, in das Leben, wo das Leben
ein Wesen ist. Man soll im Grunde tot sein, dass uns nicht Freude noch Leid
berühre. Wir bitten drum unsern lieben Herrgott, er möge uns helfen aus einem
Leben, das geteilt ist, in ein Leben, das eins geworden ist. Das walte Gott.
Amen.
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