Meister Eckharts
mystische Schriften
übertragen von Gustav Landauer
Predigten
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Vom Unwissen
Von der Dunkelheit
Von stetiger Freude
Von der Stadt der Seele
Vom namenlosen Gott
Vom innersten Grunde
Von der Vollendung der Zeit
Ein Zweites vom namenlosen Gott
Von guten Gaben
Von unsagbaren Dingen
Vom Leiden Gottes
Von der Einheit der Dinge
Wie Jesus an dem Stricke zog
Von der Erkenntnis Gottes
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Von der Überfreude
Wäre weder Hölle noch Himmelreich, dennoch wollte ich Gott, süßer Vater,
dich und deine hohe Natur lieben, worin die Dreiheit in der Einheit steht. Seht,
jetzt mögt ihr gerne hören von all dem Heimlichen der hohen Natur der
Dreieinigkeit. Die Personen sind Gott in ihrer Persönlichkeit, Gottheit gemäß
der Natur in der Einheit. Seht, jetzt mögt ihr hören, was Gott und Gottheit ist.
Das ist ein Unterschied; den gewahrt meine Seele am Widerschein der hohen
Einheit. Die leuchtet in ihr eigenes Wesen ganz ohne Unterschiedenheit. Darin
hat sie all ihre Einheit verschlossen und doch mit Unterscheidung der hohen
Persönlichkeit. Der Fluss ist ursprünglich, in dem die Einheit lebt; das einig
Eine, das in sich selbst in dunkler Stille schwebt, ist ohne ein Bedürfen.
Niemand kann es verstehen, doch in seiner Selbstheit ist es offenbar. Das Licht
ist das Erste in der Ursprünglichkeit, das den Geist hinausführt aus seinem
Wesen in die Verborgenheit, allbleibend, eingezogen, in die Dunkelheit
versunken. Allda wird er verlocket, allda wird er des Lichtes Dunkelheit
entkleidet, allda verliert er beide in der Abgründlichkeit, allda wird das
verborgene Wesen, der Geist, in der Einheit entfremdet, und doch ist’s sein
Leben.
O grundlos tiefer Abgrund, in deiner Tiefe bist du hoch in deiner
Höhe tief! Wie kann das sein? Das ist uns im Abgrund deiner Tiefe verborgen.
Doch sagt Sankt Paulus, es soll uns klar werden. In dieser Klarheit ist der
Geist über seine Selbstheit, ihn hat die Dreieinigkeit an sich gezogen. Da
stirbt der Geist allsterbend im Wunder der Gottheit, denn er hat in der Einheit
keine Unterschiedenheit; das Persönliche verliert seinen Namen in der Einheit.
Wo der Geist in der Einheit auf nichts beruht, da verliert er in göttlicher Art
jedes Mittel. Des Lichts wie der Dunkelheit ist er entledigt, der Materie wie
der Form. Ein Fünklein, so nackt, wie es geschaffen ist, ein Nichts von seinem
Nichts, das wird vom Etwas seines Nichts eingezogen. Eben das Nichts ist
Nacktheit im Wesen der Person, das den Geist wegführt und in die Einheit
schweben lässt. In dem Unbegreifen der hohen Einheit, die alle Dinge außer sich
in ihrer Selbstheit vernichtet, ist Eins ohne Unterschiedenheit und doch ein
Etwas, das aus ihrer Selbstheit geschaffen ist. Dieses Eine, das ich hier meine,
ist wortlos. Eins und eins vereint leuchtet da nackt in nackt. Wo die zwei
Abgründe in einer Gleichheit schweben, gegeistet und entgeistet, da ist ein
hohes Wesen; wo sich Gott entgeistet, da ist Dunkelheit in einer unerkannten
bekannten Einheit. Das ist uns verborgen in der Tiefe seiner Stille. Alle
Kreaturen ergründen nicht das Etwas.
Dass wir uns selbst entsinken, dess freuen wir uns heute. Und
danach sollt ihr trachten immerdar, ihr Leute, und in das Höchste eilen, das ist
die Überfreude.
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