Meister Eckharts
mystische Schriften
übertragen von Gustav Landauer
Predigten
Vom Schweigen
Vom Unwissen
Von der Dunkelheit
Von stetiger Freude
Von der Stadt der Seele
Vom namenlosen Gott
Vom innersten Grunde
Von der Vollendung der Zeit
Ein Zweites vom namenlosen Gott
Von guten Gaben
Von unsagbaren Dingen
Vom Leiden Gottes
Von der Einheit der Dinge
Wie Jesus an dem Stricke zog
Von der Erkenntnis Gottes
Von der Armut
Von Gott und der Welt
Von der Erneuerung des Geistes
Von der Natur
Von Gott und Mensch
Vom Tod
Was ist Gott?
Vom persönlichen Wesen
Traktate
Von den Stufen der Seele
Gespräch zwischen Schwester
Kathrei und dem Beichtvater
Von der Abgeschiedenheit
Von der Überfreude
Die Seele auf der Suche nach Gott
Von der Überfahrt zur Gottheit
Vom Zorn der Seele
Fragmente und Sprüche
Fragmente
Sprüche
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Fragmente
1. Alle Kreaturen sind ein Fußstapfen Gottes.
2. Gott ist nicht ein Zerstörer der Natur, er vollbringt sie vielmehr.
3. Der Mensch kann nicht wissen, was Gott ist. Etwas weiß er wohl: was Gott
nicht ist.
4. So gewaltig liebt Gott meine Seele, dass sein Wesen und sein Leben daran
liegen, dass er mich lieben muss, es sei ihm lieb oder leid. Wer Gott das nähme,
dass er mich liebt, der nähme ihm seine Gottheit.
5. Wer seinen Willen gänzlich aufgibt, der fängt und bindet Gott, dass Gott
nichts kann, als was der Mensch will.
6. Erkenntnis kommt von Vergleichen. Weil also die Seele eine Möglichkeit hat,
alle Dinge zu erkennen, darum ruht sie nimmer, bis sie in das erste Bild kommt,
wo alle Dinge eins sind, und da ruht sie, das ist in Gott. In Gott ist keine
Kreatur von anderem Rang als die andere. Die Meister sagen: Wesen und Erkenntnis
sind ein und dasselbe.
7. Gott ist nirgends. Gottes Geringstes, dessen ist alle Kreatur voll, und ein
Größtes ist nirgends.
8. Wäre nicht Gott in allen Dingen, die Natur wirkte oder begehrte in keinem
Dinge etwas; denn es sei dir lieb oder leid, magst du es wissen oder nicht: Die
Natur in ihrem Innigsten sucht und meint Gott. Nie würde ein Mensch, der Durst
hat, so sehr nach etwas zu trinken begehren, wenn nicht etwas von Gott darin
wäre. Die Natur meinte weder Essen noch Trinken noch Kleider noch
Bequemlichkeit noch sonst etwas, wenn nicht Gott darin wäre, und sie jagt und
bohrt immer mehr danach, Gott darin zu finden.
9. Verginge das Bild, das nach Gott gebildet ist, so verginge auch das Bild
Gottes.
10. Die Vernunft ist eindringend, sie begnügt sich nicht mit Güte oder Weisheit
oder Wahrheit und auch nicht mit Gott selbst. Es ist gute Wahrheit: Sie begnügt
sich so wenig mit Gott wie mit einem Stein oder einem Baum.
11. So wahr das ist, dass Gott Mensch geworden ist, so wahr ist der Mensch Gott
geworden.
12. Das ist Gottes Natur, dass er ohne Natur ist.
13. Gott kann, was er will, darum hat er dich sich selbst völlig gleich gemacht
und dich zu einem Bild seiner selbst gemacht. Aber »ihm gleich«, das klingt wie
etwas Fremdes und etwas Entferntes; darum ist die Seele Gott nicht gleich, sie
ist ganz und gar das Gleiche wie er und dasselbe, was er ist. – Ich weiß und kann nicht weiter, damit sei diese Rede zu Ende.
14. Wenn ich Gott nicht zwinge, dass er alles tut, was ich will, dann gebricht
es mir entweder an Demut oder an Sehnsucht.
15. Wo sieht man Gott? Wo nicht Gestern noch Morgen ist, wo ein Heute ist und
Jetzt, da sieht man Gott. Was ist Gott? Ein Meister spricht: Wenn das notwendig
sein muss, dass ich von Gott rede, so sage ich, dass Gott etwas ist, was kein
Sinn begreifen oder erlangen kann. Sonst weiß ich nichts von ihm. Ein anderer
Meister sagt: Wer das von Gott erkennt, dass er unbekannt ist, der erkennt Gott.
Wenn ich in Paris predige, so sage ich und darf es wohl sagen: Alle hier in
Paris können mit all ihrer Wissenschaft nicht begreifen, was Gott in der
geringsten Kreatur, auch nur in einer Mücke, ist. Aber ich sage jetzt: Die ganze
Welt kann es nicht begreifen. Alles, was man von Gott denken kann, das ist Gott
ganz und gar nicht. Was Gott an sich selbst ist, dazu kann niemand kommen, der
nicht in ein Licht entrückt wird, das Gott selbst ist. Was Gott den Engeln ist,
das ist gar fern, und niemand weiß es. Was Gott in einer Gott liebenden Seele
ist, das weiß niemand als die Seele, in der er ist. Was Gott in diesen niederen
Dingen ist, das weiß ich ein wenig, aber sehr schwach. Wo Gott in der Erkenntnis
wohnt, da fällt alle natürliche Sinnlichkeit ab. Dass wir so in ein Licht
entrückt werden, das Gott selber ist, um darin in Ewigkeit selig zu sein, das
walte Gott. Amen.
16. Das Wort, das Augustin spricht: Was der Mensch liebt, das ist der Mensch,
ist folgendermaßen zu verstehen: Liebt er einen Stein, so ist er ein Stein,
liebt er einen Menschen, so ist er ein Mensch, liebt er Gott – nun traue ich
mich nicht weiter zu sprechen, denn sage ich, dass er dann Gott ist, so könntet
ihr mich steinigen wollen.
17. Den gerechten Menschen ist es so ernst mit der Gerechtigkeit, dass sie,
gesetzt den Fall, Gott wäre nicht gerecht, nicht eine Bohne sich um Gott
kümmerten.
18. Alle Liebe dieser Welt ist auf Eigenliebe gebaut. Hättest du die gelassen,
so hättest du alle Welt gelassen.
19. Ich überlegte mir neulich, ob ich von Gott etwas nehmen oder begehren
sollte. Ich will mich gar sehr besinnen, denn wenn ich von Gott etwas nähme, so
wäre ich unter Gott wie ein Knecht unter seinem Herrn durch das Geben. Aber so
sollen wir nicht sein im ewigen Leben.
20. Einige einfältige Leute glauben, sie sollten Gott sehen, als stünde er da
und sie hier. Dem ist nicht so. Gott und ich, wir sind im Erkennen eins. Nehme
ich daher Gott in Liebe in mich, so gehe ich in Gott ein. Wir sollen ihn
Erkennende sein, ich ihn wie er mich, nicht minder noch mehr, sondern einfach
gleich.
21. Die Liebe nimmt Gott selbst, wie er Gott ist; und diesem Namen entfiel Gott.
Güte, Liebe kommen niemals vorwärts. Liebe nimmt Gott unter einem Fell, unter
einem Kleid. Das tut nicht der Verstand: Der Verstand nimmt Gott, wie er in ihm
bekannt ist; da kann er niemals begreifen im Meer seiner Grundlosigkeit.
22. Ein Meister, der aufs Allerbeste von der Seele gesprochen hat, sagt, dass
alle menschliche Wissenschaft niemals dahinter kommt, was die Seele sei. Da
gehört übernatürliche Wissenschaft dazu. Es gehen die Kräfte von der Seele in
die Werke hinaus. Davon wissen wir nichts; wir wissen wohl ein wenig davon, aber
was die Seele im Grunde sei, davon weiß niemand etwas.
23. Eine Kraft ist in der Seele, der sind alle Dinge gleich süß; ja, das
Allerböseste und das Allerbeste, das ist alles gleich für diese Kraft, sie nimmt
alle Dinge über hier und über jetzt. Jetzt, das ist die Zeit, und hier ist der
Raum.
24. Ich überlegte mir einst [es ist noch nicht lange her]: Dass ich ein Mensch
bin, das ist auch einem anderen Menschen mit mir gemein; dass ich sehe und höre
und esse und trinke, das tut auch ein anderes Tier; aber dass ich bin, das ist
keines Menschen sonst als allein mein, weder eines Menschen noch eines Engels
noch Gottes, außer sofern ich eins mit ihm bin. Alles, was Gott wirkt, das wirkt
er in dem Einen sich selbst gleich, und doch ist es in den Werken einander gar
ungleich.
25. Wer in der Zeit sein Herz auf die Ewigkeit gestellt hat und in wem alle
zeitlichen Dinge tot sind, da ist Vollendung der Zeit. Ich sprach einst: Die
freuen sich nicht allezeit, die sich freuen in der Zeit. Sankt Paulus spricht:
»Freuet euch in Gott allezeit.« Der freuet sich allezeit, der sich da freut über
Zeit und ohne Zeit. Drei Dinge hindern den Menschen, sodass er Gott in keiner
Weise erkennen kann. Das erste ist Zeit, das Zweite Körperlichkeit, das Dritte
Mannigfaltigkeit. Solange diese drei in mir sind, ist Gott nicht in mir und
wirkt nicht eigenhaft in mir. Sankt Augustin sagt: Es kommt von dem Geiz der
Seele, dass sie viel begreifen und haben will, und sie greift in Zeit, in
Körperlichkeit und in Mannigfaltigkeit und verliert damit eben das, was sie hat.
Denn solange mehr und mehr in dir ist, kann Gott in dir niemals wohnen oder
wirken. Diese Dinge müssen immer hinaus, wenn Gott hinein soll, es sei denn, du
hättest sie in einer höheren und besseren Weise, dass aus Menge eins geworden
wäre. Je mehr dann Mannigfaltigkeit in dir ist, umso mehr Einheit, denn das eine
ist in das andere verwandelt. Ich sprach einst: Einheit eint alle
Mannigfaltigkeit, aber Mannigfaltigkeit eint nicht Einheit. So wir überhoben
werden über alle Dinge und alles, was in uns ist, aufgehoben wird, so bedrückt
uns nichts. Wäre ich rein Gott meinend, dass nichts über mir wäre als Gott, so
wäre mir gar nicht schwer, und ich würde nicht gar so bald betrübt.
26. Im Grunde der Seele ist die Kraft, die in den Augen wirkt, ebenso hoch im
Rang wie der Verstand, und da ist der Fuß und das Auge gleich edel. Was die
Seele in ihrem Grunde sei, das ward noch nie gefunden.
27. Die Meister sagen, dass die menschliche Natur mit der Zeit nichts zu tun
habe und dass sie ganz und gar unberührbar sei und dem Menschen viel inniger und
näher sei als er sich selbst. Und darum nahm Gott menschliche Natur an und
eignete sie seiner Person. Da ward menschliche Natur zu Gott, weil er bloß
menschliche Natur und keinen Menschen annahm. Willst du also selber Christus
sein und Gott sein, so geh von allem ab, was das ewige Wort sich nicht
angenommen hat. Das ewige Wort nahm keinen Menschen an sich: Darum geh ab von
dem, was Mensch an dir ist und was du bist, und benimm dich bloß nach
menschlicher Natur, so bist du dasselbe an dem ewigen Worte, was menschliche
Natur an ihm ist. Denn deine menschliche Natur und seine hat keinen Unterschied:
sie ist eins; denn was sie in Christus ist, das ist sie in dir.
28. Kein Ding ist Gott so sehr entgegengesetzt wie die Zeit.
29. »Er hatte keinen Namen.« So ist die Dreifaltigkeit der Gottheit ohne Namen;
denn alle die Namen, die ihm die Seele gibt, die nimmt sie aus ihrem Verstande.
Darüber sagt ein heidnischer Meister in dem Buche, das »Licht der Lichter«
heißt: Gott ist überwesenhaft und übersprachlich und unverstandsam in Bezug auf
das, was natürliches Verstehen ist.
30. Ein Meister sagt: Eins ist ein untersagendes Aussagen. Sage ich: Gott ist
gut, da wird etwas beigelegt. Eins ist ein untersagendes Aussagen und ein
wehrendes Begehren. Was meint Eins? Etwas, dem nichts beigelegt wird. Die Seele
nimmt die Gottheit, wie sie in ihr geläutert ist, wo nichts beigelegt wird, wo
nichts gedacht wird. Eins ist ein Untersagen des Aussagens. Alle Kreaturen haben
irgendein Untersagen in sich; die eine sagt aus, dass es die andere nicht sei;
ein Engel sagt aus, dass er nicht eine andere Kreatur sei. Aber Gott hat ein
Untersagen alles Aussagens, er ist eins und untersagt alles andere; denn nichts
ist außer Gott. Alle Kreaturen sind in Gott und sind die Gottheit seiner selbst
und wollen ihn ausfüllen. Er ist ein Vater aller Gottheit. Darum eine Gottheit,
weil nichts ausfließt und nirgends etwas daran rührt und kein Wort gedacht wird.
Damit, dass ich von Gott etwas aussage [sage ich von Gott Güte aus, so kann ich
Gott nicht aussagen], damit, dass ich von Gott etwas aussage, verstehe ich etwas
unter ihm, was er nicht ist; eben das muss hinab. Gott ist eins, er ist ein
Untersagen des Aussagens.
31. Eine Ursache, warum es meiner unwürdig und mir zuwider wäre, Gott darum zu
bitten, er möge mich gesund machen, dass ich den reichen, liebevollen,
freigebigen Gott nicht um eine solche Kleinigkeit bitten will und soll. Gesetzt,
ich reiste hundert oder zweihundert Meilen zum Papste, und wenn ich vor ihm
käme, spräche ich: »O Herr und heiliger Vater, ich bin mit großen Kosten auf
beschwerlichen Wegen zweihundert Meilen gereist und bin hierher gekommen, um
euch zu bitten, mir eine Bohne zu schenken«, wahrlich, er selbst und jeder, der
das hörte, sagte mit Recht, dass ich ein großer Narr wäre. Nun ist das eine
sichere Wahrheit, dass alles Gut, ja alle Kreatur gegen Gott weniger als eine
Bohne ist. Darum verschmähte ich es mit Recht, wenn ich ein weiser und guter
Mensch wäre, darum zu bitten, gesund zu werden.
32. Seneca, ein heidnischer Meister, spricht: Von großen und hohen Dingen soll
man mit großen und hohen Sinnen sprechen und mit erhobener Seele. Auch soll man
sagen, dass man solche Lehre nicht für Ungelehrte spreche oder schreibe. Dazu
sage ich: Wenn man ungelehrte Leute nicht lehrt, so wird niemals jemand gelehrt,
so kann niemand lehren noch leben noch sterben; denn darum lehrt man die
Ungelehrten, dass sie aus Ungelehrten gelehrt werden. Wäre nichts Neues, so
würde nichts Altes.
33. Dem gemäß, dass die Gottheit in allen Dingen ist, ist sie die Seele aller
Seelen. Die Gottheit ist die Seele der Kreatur.
34. Sankt Dionysius sagt: In Gott begraben werden ist nichts anderes als eine
Überfahrt in das ungeschaffene Leben. Die Kraft, in der die Verwandlungen der
Seele vor sich gehen, ist ihre Materie, und diese Kraft erkennt die Seele
niemals bis auf den Grund, denn es ist Gott, und Gott verwandelt sich nicht: Die
Seele treibt ihre Verwandlungen in seiner Kraft. Darüber sagt Sankt Dionysius:
Gott ist ein Beweger der Seele. Darum ist die Form eine Offenbarung des Wesens.
Darüber sagt Sankt Dionysius, Form sei das Etwas des Wesens. Materie ohne Form
gibt es nicht. Darum ruht die Seele nimmer, bis sie in Gott kommt, der ihre
erste Form ist. Da vereinigt sich die Seele mit Gott wie die Speise mit dem
Menschen: Sie wird Auge in den Augen und Ohr in den Ohren. So wird die Seele
Gott in Gott. Mit jeder göttlichen Kraft vereinigt sie sich so, wie die Kraft in
Gott ist, und Gott vereinigt sich in der Seele so, wie jede Kraft in der Seele
ist, und die zwei Naturen fließen in einem Licht, und die Seele wird allwesend
zunichte. Was sie ist, das ist sie in Gott. Die göttlichen Kräfte ziehen sie in
sich, ohne hinzusehen, wie die Sonne alle Kreaturen anzieht, ohne hinzusehen.
Was Gott für sich selbst ist, das kann niemand begreifen. Gott ist für sich
selbst in allen Dingen, Gott ist alle Dinge in allen Dingen, und Gott ist jedem
Dinge allzumal alle Dinge. So soll die Seele sein. Gott ist keinem Dinge völlig
nichts, Gott ist für sich selbst nicht völlig nichts, Gott ist nichts, was man
in Worte fassen kann. Hierüber sagt Sankt Dionysius, dass Gott für sich selbst
alle Dinge sei, das heißt, dass er die Bilder aller Dinge trägt. Da trägt er
sich in ein Nichts: Da sind alle Dinge Gott. Als wir nicht waren, da war Gott
Hölle und Himmelreich und alle Dinge.
35. Wir wollen allen Dingen Geist sein, und alle Dinge sollen uns Geist sein.
Wir sollen alle Dinge erkennen und uns mit allen Dingen gotten.
36. So unmöglich es ist, dass Gott das Wesen verliert, das er ist, so unmöglich
ist es, dass Gott sein ewiges Wort in Bildern oder in Lauten aussprechen kann.
37. Die göttlich Armen haben sich nicht allein von sich selbst befreit, sondern
sie haben sich auch von Gott befreit und sind so sehr frei von ihm, dass er
keinen Platz in ihnen findet, wo er wirken könnte. Denn fände er einen Platz,
worin er wirkte, so wäre der Platz eines und er ein anderes. Diese Menschen
haben keinen Platz, und sie sind von aller zufälligen Form ganz und gar frei und
bloß. Hier sind alle Menschen ein Mensch, und eben dieser Mensch ist Christus.
Davon sagt ein Meister, dass das Erdreich dieser Menschen nie entledigt ward und
nie entledigt werden wird, denn der Mensch schließt Himmel und Erde in sich.
Wäre der Mensch nicht, so wären sie auch beide nicht.
38. Alle Kreaturen jagen Gott mit ihrer Liebe, denn es ist kein Mensch so
unselig, dass er aus Bosheit sündigte; sondern er tut es um seiner Lustgier
willen. Es schlägt einer einen tot; das tut er nicht, um etwas Böses zu tun,
sondern es dünkt ihn, er selbst käme, solange jener lebt, nimmer in sich selbst
zum Frieden; darum will er in Frieden Lust suchen, denn Friede bringt Freude. So
jagt alle Kreatur Gott mit ihrer Liebe, denn Gott ist die Liebe. So begehren
alle Kreaturen der Liebe. Wäre ein Stein vernünftig, er müsste Gott mit seiner
Liebe jagen. Wer einen Baum fragt, warum er seine Frucht trägt, wenn er Vernunft
hätte, spräche er: Dass ich mich in der Frucht erneuere, das tue ich, um mich
von neuem dem Ursprung zu nähern; denn dem Ursprung nahe sein, das ist lustvoll.
Gott ist der Ursprung und ist Lust und Liebe.
39. Gott ist überall in der Seele, und sie ist in ihm überall; also ist Gott ein
All, und sie mit ihm ein Alles in Allem.
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